Gesetzgebungsübersicht Straf(prozess)recht aktualisiert

Nach fast einem halben Jahr bin ich wieder einmal dazu gekommen, die Übersicht über Änderungen des Straf- und Strafprozessrechts (und wesentliche Initiativen des Gesetzgebers auf diesen Gebieten) zu aktualisieren. Allzu vieles hat sich zumindest quantitativ in dieser Zeit nicht getan; es haben sich jedoch durchaus inhaltlich bedeutsame Änderungen ergeben.


Im Bereich des materiellen Strafrechts wurde verkündet:

  • das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder, mit dem alle Strafvorschriften der §§ 176 ff. StGB, aber auch alle Varianten des Umgangs mit kinderpornographischen Inhalten zum Verbrechen - ohne minderschwere Fälle, mit Ausnahme ersichtlicher fiktiver kinderpornographischer Inhalte - hochgestuft wurden, so dass nunmehr der Besitz einer einzigen kinderpornographischen Abbildung zwingend zur Anklage vor dem Schöffengericht führt; neu ist zudem § 184l StGB, der sich mit “Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild” befasst;

  • das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet (dem man tatsächlich keine laufende Nummer mehr vorangestellt hat), mit dem ab 01.10.2021 ein neuer § 127 StGB das “Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet” mit Strafe bedrohen wird,

  • das Gesetz zur Änderung des Anti-Doping-Gesetzes, das eine Kronzeugenregelung für gravierende Doping-Straftaten einführt,

und

  • das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings (ebenfalls ohne Nummer), mit dem es nun für den Tatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) endlich nicht mehr erforderlich ist, dass die Lebensgestaltung des Opfers “schwerwiegend beeinträchtigt” wird, sondern ausreicht, dass die Tathandlung dazu geeignet ist,

  • Ebenfalls verabschiedet, aber noch nicht verkündet, wurde das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten.


Im Strafprozessrecht sind verkündet worden

  • mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften ein weiteres StPO-Reformgesetz, mit dem u.a.

    • eine Rechtsgrundlage für die repressive automatische Kennzeichenerfassung geschaffen wurde (§ 163g StPO),
    • die Durchsuchung zur Nachtzeit auch für den ansonsten wesentlich erschwerten Zugriff auf elektronische Speichermedien gestattet und die Nachtzeit zudem an die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 12.03.2019, 2 BvR 675/14) angepasst wurde (§ 104 StPO),
    • die Benachrichtigung des Beschuldigten über Durchsuchungen bei Dritten (bspw. Providern) zurückgestellt werden kann (§ 95a StPO),
    • in Reaktion auf die Rechtsauffassung der Ermittlungsrichterin des BGH (Beschluss vom 20.02.2019 - StB 51/18) eine Ermächtigungsnorm zur Auskunftserteilung über Postsendungen in §§ 99, 100 StPO eingefügt wurde,
    • weitere zeugenschützende Vorschriften (Verzicht auf die Angabe der Anschrift) geschaffen wurden (§ 68 StPO),
    • statt des Wortprotokolls auch ein Inhaltsprotokoll möglich wurde (§ 168a StPO),
    • bei langer Urteilsabsetzungsdauer die Revisionsbegründungsfrist verlängert wurde (§ 345 StPO),
    • die Anhörung des Verurteilten im Vollstreckungsverfahren ausdrücklich telekommunikativ erfolgen kann (§ 463a StPO), und
    • erstmals der Begriff des “Verletzten” legaldefiniert wurde (§ 373b StPO),

und

  • das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/816 sowie zur Änderung weiterer Vorschriften.

Zu den Änderungen des Strafprozessrechts durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung bietet Rechtsanwalt Detlef Burhoff ein E-Book mit einem ersten Überblick zur Bestellung an.

Ebenfalls verabschiedet, aber noch nicht verkündet, wurden

  • das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften und

  • das Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit (Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung - Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung).

Das

  • Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft (“Verbandssanktionengesetz”),

befindet sich noch im parlamentarischen Prozess, wird aber voraussichtlich nicht mehr verabschiedet werden; der Referententwurf eines

  • Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften und der strafrechtlichen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

befindet sich weiter in der Diskussion.


Wie immer finden sich bei den einzelnen Gesetzen oder Gesetzentwürfen Links zum Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentarische Vorgänge (DIP) bzw. (bei Referenten- und noch nicht eingebrachten Regierungsentwürfen) zur Website des BMJV, so dass sich der Wortlaut der Entwürfe und der Gang sowie der aktuelle Stand des Gesetzgebungsverfahrens leicht nachvollziehen lassen.

Ich werde die Übersicht auch weiterhin in unregelmäßigen Abständen auf den aktuellen Stand bringen.