Gesetzgebungsübersicht Straf(prozess)recht aktualisiert

Im März wurde der Gesetzgeber sehr fleißig und hat - angesichts des nahenden Endes der Legislaturperiode - eine Reihe von Gesetzen mit straf(prozess)rechtlicher Bedeutung verabschiedet.

Dabei wirkt die Gesetzgebungstätigkeit rund um das Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft leicht chaotisch, weil dieses Gesetz die am selben Tage (!) verkündeten Gesetze zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität und zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes direkt wieder abändert und das Inkrafttreten vorverlegt bzw. die jeweiligen Änderungen rund um die Beauskunftung von Bestands-, Verkehrs- und Nutzungsdaten wieder komplett kassiert.


Im Bereich des materiellen Strafrechts wurde verkündet:

  • das Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche, mit dem die Anknüpfung des Geldwäschetatbestandes an bestimmte Vortaten aufgehoben und die Strafbarkeit auf aus bestimmten Auslandstaten herrührende Gegenstände erstreckt; zugleich wird für Geldwäschedelikte die Zuständigkeit der Wirtschaftstrafkammer begründet, soweit zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind;

  • das 61. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/713 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/413/JI des Rates

und

  • das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, mit dem die Strafbarkeit von Äußerungsdelikten verschärft wird; im einzelnen:

    • in § 185 StGB wird der tätlichen Beleidigung mit ihrem erhöhten Strafrahmen die öffentliche Beleidigung gleichgestellt

    • § 241 StGB, der bislang nur die Bedrohung mit einem Verbrechen mit Strafe bedroht, wird komplett umgestaltet; zukünftig ist die Drohung mit jeder rechtswidrigen Tat, die sich gegen sexuelle Selbstbestimmung, körperliche Unversehrheit, persönliche Freiheit oder Sachen von bedeutendem Wert richtet, strafbar, der Strafrahmen für die bisherige Bedrohung mit einem Verbrechen wird von bis zu einem Jahr auf bis zu zwei Jahre erhöht, und die öffentliche Bedrohung wird mit einem nochmals auf bis zu drei Jahre erhöhten Strafrahmen versehen;

    • der Tatbestand des § 188 StGB, “Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens”, wird auf die Beleidigung erstreckt, der Strafrahmen für üble Nachrede wird auf den der Verleumdung erhöht, und der subjektive Anwendungsbereich wird auf den kommunalen Bereich erstreckt;

    • in § 126 StGB wird die “Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten” nunmehr auf die Androhung von Vergewaltigungen und, neben der schweren Körperverletzung, auch der gefährlichen Körperverletzung erstreckt; und

    • in § 140 StGB (“Belohnung und Billigung von Straftaten”) wird die Strafbarkeit der öffentlichen Billigung auch auf noch bevorstehende Taten erweitert.

    • Mit Wirkung ab 01.02.2022 wird das NetzDG dergestalt geändert, dass Anbieter sozialer Netzwerke potentielle Äußerungsdelikte dem Bundeskriminalamt zu melden haben.

    • Die im Gesetz ursprünglich enthaltenen Änderungen von StPO, BKAG und TMG im Bereich der Bestands- und Verkehrsdatenauskunft hat das am selben Tage verkündete Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft direkt wieder aufgehoben. Zugleich hat es das Inkrafttreten vom 01.07.2021 auf den 03.04.2021 vorverlegt.

  • Ebenfalls verabschiedet, aber noch nicht verkündet, wurde das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder.

Im parlamentarischen Prozess befinden sich

  • das Gesets zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet,

  • ein Gesetz zur Änderung des Anti-Doping-Gesetzes,

  • das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, und

  • das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings.


Im Strafprozessrecht sind verkündet worden

  • das Gesetz zur Verbesserung der Strafverfolgung hinsichtlich des Handels mit inkriminierten Gütern unter Nutzung von Postdienstleistern sowie zur Änderung weiterer Vorschriften, mit dem Postdienstleister insbesondere verpflichtet werden, Sendungen, die sie befugt geöffnet haben, weil sie beschädigt waren oder Empfänger und Absender einer unzustellbaren Sendung nicht ermittelt werden konnten, beim Verdacht bestimmter Straftaten (Schmuggel von Drogen und Waffen) den Strafverfolgungsbehörden vorzulegen;

  • das Gesetz zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes, das das Zollfahndungsdienstgesetz neu fasst; die ebenfalls enthaltenen Änderungen von § 14 TMG wurden durch das am selben Tage verkündete Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft direkt wieder aufgehoben; und schließlich

  • das Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des BVerfG vom 27.05.2020, mit dem einerseits die Bestandsdatenauskunft entsprechend der BVerfG-Entscheidung neu geregelt wird, also die Befugnis zur Erteilung einer Auskunft im TKG durch Befugnisse zum Verlangen dieser Auskunft in die jeweiligen Spezialgesetze (u.a. BVerfSchG, MADG, BNDG, BPolG, BKAG und ZFdG) ergänzt wird, u.a. auch in die StPO; zum anderen wird die Erhebung von Bestands- und Nutzungsdaten von Telemedien (nach dem TMG) vergleichbar mit der Erhebung dieser Daten bei Telekommunikationsdiensten (nach dem TKG) geregelt. Letzteres ist u.a. deshalb erforderlich geworden, weil der EuGH in seinem Urteil vom 13.06.2019 (C-193/18) zu dem Ergebnis gekommen ist, dass u.a. E-Mail- und Chatdienste keine Telekommunikationsdienste, sondern Telemedien sind. Die Auskunftserteilung von Nutzungsdaten bei Telemedien war bisher aber nicht weiter geregelt.

Das

  • Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft (“Verbandssanktionengesetz”),

  • Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften,

  • Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/816 sowie zur Änderung weiterer Vorschriften und das

  • Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften

befinden sich im parlamentarischen Prozess; ein Referententwurf eines

  • Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften und der strafrechtlichen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

befindet sich in der Diskussion.


Wie immer finden sich bei den einzelnen Gesetzen oder Gesetzentwürfen Links zum Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentarische Vorgänge (DIP) bzw. (bei Referenten- und noch nicht eingebrachten Regierungsentwürfen) zur Website des BMJV, so dass sich der Wortlaut der Entwürfe und der Gang sowie der aktuelle Stand des Gesetzgebungsverfahrens leicht nachvollziehen lassen.

Ich werde die Übersicht auch weiterhin in unregelmäßigen Abständen auf den aktuellen Stand bringen.