BeckOK-BtMG - 20. Edition erschienen

Wie üblich wurde der BeckOK-BtMG auch zum 15.09.2023 aktualisiert und steht in der nunmehr 20. Edition zur Verfügung.

Wie bereits angekündigt haben sich dabei nicht unerhebliche Änderungen gerade auch im medizinischen Bereich durch das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) ergeben.

Diese betreffen vor allem die Verabreichung von Betäubungsmitteln durch Notfallsanitäter im Rettungsdienst, die nunmehr im neuen § 13 Abs. 1b BtMG geregelt ist. Flankiert wird die neue Befugnis durch eine neue, darauf abgestimmte Strafnorm in § 29 Abs. 1 Nr. 6b BtMG sowie durch Regelungen zur Verbrauchsdokumentation durch Notfallsanitäter in § 6 BtMVV sowie durch (klarstellende) Ergänzungen in §§ 2a, 4 NotSanG. Mit dieser Neuregelung besteht die Möglichkeit, bestehende Modellprojekte in verschiedenen Bundesländern zu legalisieren.


Ich habe die Neuregelungen in § 13 BtMG (Rn. 108-124) und in § 29 BtMG (Rn. 640-657) kommentiert und meine bisherige Darstellung in Rn. 57.1-57.3 zu § 13 BtMG entsprechend angepasst. Sehr (!) kurz gefasst wird man von folgendem ausgehen können:

  • Die Vorschrift erlaubt als ergänzende Ausnahme von § 13 Abs. 1 BtMG (nur) Notfallsanitätern (nur) die Verabreichung von Betäubungsmitteln im Vorfeld einer ärztlichen Behandlung, wenn die drei Voraussetzungen der Norm vorliegen:

  • Die Anwendung muss zur Abwendung von Gefahren für die Gesundheit oder zur Beseitigung oder Linderung erheblicher Beschwerden erforderlich (Abs. 1b S. 1) und als ultima ratio begründet (Abs. 1 S. 1-2) sein. Das ist eine vergleichsweise niedrige Schwelle.

  • Es muss eine zeitliche Dringlichkeit gegeben sein, so dass das Eintreffen eines Arztes nicht abgewartet werden kann. Der Wortlaut der Norm fordert weder, dass ein Arzt tatsächlich erscheinen muss (wenn er es ohnehin nicht rechtzeitig könnte und eine einmalige Verabreichung ausreichend ist), noch lässt er eine telemedizinische Konsultation genügen.

  • Erforderlich sind weiter standardisierte ärztliche Vorgaben eines nach Landesrecht zuständigen Arztes, die die Art und Weise der Verabreichung (also bspw. Auswahl, Dosierung und Applikationsweg der Betäubungsmittel sowie Kontraindikationen) regeln und in einer für Notfallsanitäter umsetzbaren Form die Fälle beschreiben, in denen das Eintreffen eines Arztes nicht abgewartet werden kann. Die Vorgaben müssen schriftlich (auch digital) gefasst sein und den Notfallsanitätern (nicht notwendig auch am Einsatzort) vorliegen. Diese Vorgaben binden die Notfallsanitäter, die nicht von ihnen abweichen dürfen.

  • Neben diesen Regelungen dürfte wie bisher ein (sehr, sehr, sehr enger) Bereich verbleiben, in dem die Betäubungsmittelgabe - nicht nur durch Notfallsanitäter - durch Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt ist. Das kann aber nur einige wenige, besondere Ausnahmesituationen betreffen.

  • Die neue Strafnorm in § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 6b geht der allgemeinen Regelung dort in Nr. 6 lit. b) vor. Sie bedroht die vorsätzliche oder fahrlässige (Abs. 4) Verabreichung von Betäubungsmitteln durch Notfallsanitäter mit Strafe, wenn diese entgegen § 13 Abs. 1b BtMG erfolgt, also ohne Erforderlichkeit, außerhalb zeitlicher Dringlichkeit oder entgegen standardisierter ärztlicher Vorgaben.

  • Die standardisierten ärztlichen Vorgaben dürfen über § 13 Abs. 1b S. 1 BtMG nicht hinausgehen, können also eine Verabreichung von Betäubungsmitteln, die nicht in diesem Sinne erforderlich ist oder bei der das Eintreffen eines Arztes abgewartet werden könnte, nicht legitimieren.

Ich gehe davon aus, dass die Kommentierung zu § 6 BtMVV demnächst auch angepasst wird.

Daneben wurden auch die Änderungen in § 10a BtMG und der neue § 10b BtMG zu Drogenkonsumräumen und Modellvorhaben des sog. “Drug-Checkings” in der aktuellen Edition erstmals kommentiert.


Die nächste (21.) Edition des Onlinekommentars wird voraussichtlich im Januar 2024 erscheinen. Gerne nehme ich auch weiterhin Kommentare, Ergänzungen und Hinweise auf weitere Verbesserungsmöglichkeiten entgegen.

Bis dahin ergeben sich möglicherweise schon neue durchgreifende Änderungen durch das Cannabisgesetz, das u.a. das Cannabisanbaugesetz (CanAnbauG), also das Gesetz zum privaten und zum gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau von Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken, und das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG), also das Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken, enthalten soll.